Pneumokokken-Erkrankungen: Risikogruppen erkennen
Pneumokokken-Erkrankungen: Risikogruppen erkennen
Pneumokokken besiedeln den Nasenrachenraum des Menschen überwiegend ohne Symptome zu verursachen. Jedoch können diese Erreger auch eine Reihe von lokalen und invasiven Erkrankungen auslösen.1 Welche Personengruppen besonders für Pneumokokken-Erkrankungen gefährdet sind, hier!

Pneumokokken können unterschiedliche Krankheitsbilder auslösen
Bei lokaler Ausbreitung können Pneumokokken Erkrankungen der oberen oder unteren Atemwege, wie eine Nasennebenhöhlenentzündung (Sinusitis) oder Lungenentzündung (Pneumonie), verursachen.1 In Europa gelten diese Bakterien als der Hauptverursacher von ambulant erworbenen Pneumonien.2 Gelangen die Erreger in normalerweise sterile Körperflüssigkeiten, können sie besonders schwerwiegende invasive Pneumokokken-Erkrankungen (IPD, invasive pneumococcal disease) auslösen. Zahlenmäßig handelt es sich dabei überwiegend um Hirnhautentzündungen (Meningitiden) oder Bakteriämien (Anwesenheit von Bakterien im Blutkreislauf).1
Ältere Personen, Säuglinge und Kleinkinder gehören zur Risikogruppe
Das Risiko für eine schwer verlaufende Pneumokokken-Erkrankung ist u. a. altersabhängig. Besonders gefährdet sind Kinder in den ersten beiden Lebensjahren sowie ältere Menschen.3 In beiden Personengruppen wurde eine erhöhte Krankheitshäufigkeit für Pneumokokken-Erkrankungen beobachtet.1 Die erhöhte Anfälligkeit im Alter lässt sich mit nachlassenden Abwehrkräften und der Zunahme chronischer Erkrankungen erklären.4 Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland jährlich über 5.000 Menschen in der Altersgruppe 60+ an einer Pneumokokken-Pneumonie versterben.1
Impfquote 60+ ausbaufähig
Durch die Impfprophylaxe können die Zahl invasiver Pneumokokken-Erkrankungen und Pneumokokken-Pneumonien sowie damit einhergehende schwere gesundheitliche Folgen und Krankenhausaufenthalte reduziert werden.1 Aber gerade Menschen in der Altersgruppe 60+ lassen sich zu selten gegen Pneumokokken impfen: Nicht einmal jeder Fünfte 60-Jährige war in Deutschland im 1. Quartal 2020 gegen Pneumokokken geimpft. Bis zum Alter von 67 Jahren stiegen die Impfquoten in den westlichen Bundesländern jedoch auf etwa 15,1 % (Spannweite 9,5 – 28,2 %) und in den östlichen Bundesländern auf ca. 32,4 % (Spannweite 29,0 – 35,3 %) an.5
Grunderkrankungen als Risikofaktor für schwer verlaufende Pneumokokken-Erkrankungen
Bestimmte Personengruppen sind besonders durch Pneumokokken gefährdet, weil sie ein erhöhtes Risiko für Pneumokokken-Erkrankungen haben oder im Erkrankungsfall häufiger von einem schweren Krankheitsverlauf betroffen sind.6 Dazu zählen u. a. Kinder, Jugendliche und Erwachsene:7
- mit angeborenem oder erworbenem Immundefekt bzw. einem unterdrückten Immunsystem
- mit sonstigen chronischen Krankheiten wie chronischen Herzerkrankungen, chronischen Erkrankungen der Atemwege (z. B. Asthma, COPD, Lungenemphysem), Stoffwechselkrankheiten (z. B. ein medikamentös behandelter Diabetes mellitus) oder neurologischen Krankheiten (z. B. Anfallsleiden oder Zerebralparasen)
- mit anatomischen und Fremdkörper-assoziierten Risiken für eine Pneumokokken-Meningitis (z. B. Liquorfistel oder Cochlea-Implantat)
Die Bedeutung von Risikofaktoren für Lungenentzündungen
Die Ständige Impfkommission (STIKO) definiert die oben genannten Risikogruppen unabhängig vom Alter der Betroffenen. Die STIKO weist dabei jedoch darauf hin, dass es sich bei den von ihr genannten Erkrankungen nicht um eine abschließende und vollständige Liste handelt. Es kann auch weitere Krankheiten geben, die ebenfalls mit einer erhöhten Gefährdung durch Pneumokokken-Erkrankungen verbunden sein können.6
Betrachtet man aber z. B. Patient:innen im Alter von 16 – 64 Jahren mit mindestens 1 Risikofaktor, zeigte sich in einer Analyse von invasiven Pneumokokkenerkrankungen aus Großbritannien, dass im Vergleich mit Gleichaltrigen ohne Risikofaktoren das Risiko aufgrund einer IPD im Krankenhaus behandelt werden zu müssen, um etwa das 7-fache erhöht sein kann. Das höchste Risiko scheinen hier Personen mit HIV-Infektion oder anderen Formen von Immundefekten oder mit einem unterdrückten Immunsystem zu haben. Das Risiko im Krankenhaus behandelt werden zu müssen, ist bei dieser Gruppe bis zu 30-fach erhöht. Aber auch Personen mit chronischen Herz- und Lungenerkrankungen haben ein merklich hohes IPD-Risiko.6
Was empfiehlt die STIKO?
Für Personen ab einem Alter von 60 Jahren empfiehlt die STIKO die Pneumokokken-Impfung als Standardimpfung. Auch für Menschen mit bestimmten Risikofaktoren für schwere Pneumokokken-Erkrankungen wird die Impfung – unabhängig vom Alter – empfohlen.7
Dazu zählen, neben den oben genannten Risikogruppen, auch Personen mit einem beruflich-bedingt erhöhten Risiko: Z. B. mit Tätigkeiten wie das Schweißen und Trennen von Metallen, die zu Kontakt mit Metallrauchen einschließlich metalloxidischen Schweißrauchen führen können.7
Zudem wird eine Auffrischungsimpfung im Abstand von mindestens 6 Jahren für Personen mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge einer Grunderkrankung sowie nach individueller Indikationsstellung für Menschen 60+ empfohlen.7 Die Kosten für eine Pneumokokken-Impfung werden in der Regel von den Krankenkassen übernommen.8
Risikopatient:innen erkennen und aufklären
Patient:innen im Praxisalltag informieren, den Impfstatus kontrollieren und STIKO-Empfehlungen erklären – bei all dem können Sie die Ärzt:innen in der Praxis unterstützen.9 Sie können gemeinsam mit den Ärzt:innen jede Gelegenheit nutzen, Patient:innen mit einem erhöhten Risiko für eine Pneumokokken-Infektion zu identifizieren. Vor allem bei Patient:innen mit angegriffenem Gesundheitszustand besteht die Sorge, dass eine Impfung ihren geschwächten Organismus überanstrengen könnte. Gerade bei diesen Menschen ist die Aufklärung zu einer Impfprophylaxe durch die behandelnden Ärzt:innen wichtig.10 Im persönlichen Gespräch können Sie Ihren Patient:innen erläutern, wie relevant eine Präventionsmaßnahme wie die Pneumokokken-Impfung ist.11
Quellen
- Robert Koch-Institut (RKI). Wissenschaftliche Begründung für die Aktualisierung der Pneumokokken-Impfempfehlung für Senioren. Epid Bull 2016;36:352-84.
- European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC). Factsheet about pneumococcal disease. https://www.ecdc.europa.eu/en/pneumococcal-disease/facts [eingesehen am 26.11.2021].
- Robert Koch-Institut (RKI). Schutzimpfung gegen Pneumokokken: Häufig gestellte Fragen und Antworten. Stand: 23.06.2020. https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/Pneumokokken/FAQ-Liste_Pneumokokken_Impfen.html [eingesehen am 26.11.2021].
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Pneumokokken-Impfung bei Erwachsenen. https://www.impfen-info.de/impfempfehlungen/fuer-erwachsene/pneumokokken.html [eingesehen am 26.11.2021].
- Robert Koch-Institut (RKI). Impfquoten bei Erwachsenen in Deutschland, STIKO: Bestätigung der Pneumokokken-Impfempfehlung. Epid Bull 2020;47:27-30.
- Robert Koch-Institut (RKI). Wissenschaftliche Begründung für die Aktualisierung der Empfehlungen zur Indikationsimpfung gegen Pneumokokken für Risikogruppen. Epid Bull 2016;37:385-406.
- Robert Koch-Institut (RKI). Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am RKI 2021/2022. Epid Bull 2021;34:3-63.
- Gemeinsamer Bundesausschuss (GBA). Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Schutzimpfungen nach § 20i Absatz 1 SGB V. Stand: 18.09.2021. https://www.g-ba.de/richtlinien/60/ [eingesehen am 26.11.2021].
- Ärztekammer Nordrhein. Verordnung über die Berufsausbildung zum Medizinischen Fachangestellten/zur Medizinischen Fachangestellten*) vom 26. April 2006. https://www.aekno.de/mfa/ausbilder/ausbildungsrahmenplan [eingesehen am 26.11.2021].
- Niehues T et al. Impfen bei Immundefizienz: Anwendungshinweise zu den von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen(I) Grundlagenpapier. Bundesgesundheitsbl. 2017;60(6):674–84.
- Braeter U et al. Pneumokokkenimpfung bei GKV-Versicherten im Altersbereich 60 bis 64 Jahre – Regionalisierte Analyse zur Umsetzung der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission anhand bundesweiter vertragsärztlicher Abrechnungsdaten; Bericht Nr. 16/04, 2016. DOI: 10.20364/VA-16.04.