Die HPV-Impfentscheidung: Es kommt auf die Kommunikation an
Die HPV-Impfentscheidung: Es kommt auf die Kommunikation an
Bestimmte HPV-bedingte Krebserkrankungen könnten durch höhere HPV-Impfquoten reduziert werden. Trotz STIKO-Empfehlung, Jungen und Mädchen standardmäßig gegen HPV zu impfen, herrscht Nachholbedarf in Deutschland. Eine patientenorientierte Kommunikation kann die Impfbereitschaft der Eltern beeinflussen.

Bereits 2007 wurde die HPV-Impfung von der STIKO für Mädchen als Standardimpfung empfohlen.1 Seit 2018 ist sie eine Standardimpfung für Jungen und Mädchen zwischen 9 und 14 Jahren, um die Krankheitslast durch bestimmte HPV-assoziierte Tumore zu reduzieren. Eine Nachholimpfung sollte bis zum Alter von 17 Jahren erfolgen.2,3 Die Daten der KV-Impfsurveillance zeigen, dass trotz voller Erstattung und STIKO-Empfehlung derzeit in Deutschland lediglich 52,0 % der 18-jährigen Mädchen und 2,5 % der 18-jährigen Jungen vollständig gegen HPV geimpft waren.4 In einer aktuellen Analyse zu Impfquoten bei Jungen lag Ende 2021 die Impfquote für eine Erstdosis der 18-Jährigen bei 29,7 %.5 Die Wissenschaft setzt sich daher zunehmend mit der Fragestellung auseinander, wie gezielte Aufklärung beim Arztbesuch die Impfentscheidung der Patienten beeinflusst.6
Empfehlungen haben Einfluss auf die Impfentscheidung
Ob Eltern Ihre Kinder impfen lassen oder nicht, ist unter anderem von folgenden Faktoren abhängig:6
- vom Wissen der Eltern über die Impfung,
- von der Empfehlung des behandelnden Arztes
- sowie von der Stärke dieser Empfehlung.
Neben einer ausführlichen Aufklärung – inklusive Nutzen und Risiken der Impfung – ist es für das Gespräch mit Eltern auch wichtig, sich klar für eine Impfung auszusprechen. Als effektive Kommunikationsstrategie erwiesen sich Botschaften, die sich auf persönliche Entscheidungen des Arztes, etwa im Hinblick auf die Impfung seiner eigenen Kinder, sowie persönliche Erfahrungen zur Sicherheit der HPV-Impfung, stützten.6
Das Thema Sexualität als Impf-Hürde
Vom Standpunkt der öffentlichen Gesundheit kann es von Vorteil sein, die HPV-Impfung zu entsexualisieren, da es Eltern unangenehm sein kann, über die Sexualität der eigenen Kinder zu sprechen. Zudem glauben manche Eltern, dass der Schutz ihrer Kinder vor sexuell übertragbaren Erkrankungen noch nicht relevant ist oder dass die HPV-Impfung zu Promiskuität führt. Dennoch sollte man sie über den Übertragungsweg nicht im Unklaren lassen.6 Denn HPV-Infektionen gehören zu den sexuell übertragbaren Infektionen und finden meist bald nach Aufnahme der sexuellen Aktivität statt.7 Ausschlaggebend ist also, wie das Thema vermittelt wird.6 Es kann zudem hilfreich sein, darauf hinzuweisen, dass höhere Antikörperantworten bei jüngeren Impflingen nahe legen, dass in jüngeren Jahren ein besseres Ansprechen auf die Impfung erreicht werden kann.8
Hilfreich kann dabei sein, die HPV-Impfung in der Wahrnehmung als Kinder-Standardimpfung zu etablieren, wie z.B. die Impfung gegen Masern oder Hepatitis B. Dass dieses Vorgehen erfolgreich sein kann, zeigt sich am Beispiel der Hepatitis-B-Impfung: Die Aufnahme in den Standardimpfkalender für Säuglinge erleichterte es, die Impfung als Standardimpfung gegen Hepatitis B wahrzunehmen und nicht primär als Impfung gegen eine Erkrankung, die auch auf sexuellem Weg übertragen werden kann.6
Mangelnde Information als zusätzliche Barriere
Als 2007 die STIKO die Impfung gegen HPV für Mädchen (von 12-17 Jahren) empfohlen hatte, lagen noch keine ausreichenden Daten über die epidemiologische Wirksamkeit der Immunisierung von Jungen und Männern vor. Daher war das damals primäre Impfziel die Reduktion der Krankheitslast von Frauen und Mädchen durch Gebärmutterhalskrebs.1 Neben Gebärmutterhalskrebs sind allerdings auch weitere Krebsarten wie z. B. Analkrebs mit HPV assoziiert.7 Basierend auf Querschnittsstudien und Metaanalysen kann bei Männern in Deutschland etwa von 1.600 bis 2.300 HPV-bedingten Krebsneuerkrankungen pro Jahr ausgegangen werden. Die STIKO betonte in ihrer wissenschaftlichen Begründung für die Empfehlung der HPV-Impfung für Jungen, dass aufgrund der noch zu niedrigen Impfquote bei Mädchen nicht davon auszugehen ist, dass in absehbarer Zeit eine solide Herdenprotektion aufgebaut werden kann, welche auch die Jungen schützen könnte. Unter anderem deswegen wurde die Impfempfehlung von der STIKO auch auf Jungen im Alter von 9 – 14 Jahren ausgeweitet.3 Diese Ausweitung der Impfempfehlung liefert ein weiteres überzeugendes Argument in der Kommunikation und kann genutzt werden, um die HPV-Impfung als das darzustellen, was sie ist: eine Standardimpfung gegen bestimmte HPV-bedingte Krebserkrankungen.2,3
Wie wichtig die breitere Aufklärung über HPV und die HPV-Impfung ist, zeigt eine qualitative Studie aus Schweden. Interviews mit Jungen im letzten Schuljahr des Gymnasiums sollten u.a. herausfinden, wie das Bewusstsein der Jungen hinsichtlich HPV und HPV-Impfung ist, und welche Vorteile die Jungen in einer HPV-Impfung sehen. Es zeigte sich, dass nur wenig Wissen über HPV und die Impfung dagegen vorhanden war. Unabhängig davon gab es jedoch ein Bewusstsein dafür, dass es eine Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs gibt. Bei einer tendenziell positiven Einstellung gegenüber der HPV-Impfung zeigten sich aber auch Unsicherheiten der Jungen hinsichtlich der Sicherheit der Impfung. Über die Impfung und potenzielle Nebenwirkungen wollten die Befragten mehr wissen.9
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Eine Impfempfehlung ist ein wichtiger Faktor für die Impfentscheidung. Nutzen Sie daher jede Gelegenheit, die HPV-Impfung als Standardimpfung für Mädchen und Jungen von 9 – 14 Jahren gegen bestimmte HPV-bedingte Krebserkrankungen zu kommunizieren.
Quellen
- Robert Koch-Institut (RKI). Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) für Mädchen von 12 bis 17 Jahren – Empfehlung und Begründung. Stand: März 2007. Epid Bull 2007;12:97-106.
- Robert Koch-Institut (RKI). Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am RKI. Stand: Januar 2022. Epid Bull 2022;4:3-66.
- Robert Koch-Institut (RKI). Wissenschaftliche Begründung für die Empfehlung der HPV-Impfung für Jungen im Alter von 9 bis 14 Jahren. Stand: Juni 2018. Epid Bull 2018;26:1.
- Robert Koch-Institut. Impfquoten von Kinderschutzimpfungen in Deutschland – aktuelle Ergebnisse aus der RKI-Impfsurveillance. Epid Bull 2021;49:6-29.
- Wähner C et al. Annahme der HPV-Impfung bei Jungen nach Einführung der geschlechtsneutralen HPV-Impfung in Deutschland sowie Einfluss der COVID-19-Pandemie – Eine retrospektive Datenbankanalyse. # PS02-01. NIK 2022, 14.-15. Mai 2022, Wiesbaden.
- Attia AC et al. On surmounting the barriers to HPV vaccination: We can do better. Ann Med 2018; 50(3):209–25.
- Robert Koch-Institut (RKI). RKI-Ratgeber Humane Papillomviren. Stand: Juli 2018. Epid Bull 2018;27:255-258.
- Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DAKJ). Stellungnahme Kommission für Infektionskrankheiten und Impffragen der DAKJ. Mai 2021. Online verfügbar unter https://www.dakj.de/stellungnahmen/zeitgerechtes-impfen-bei-kindern-und-jugendlichen/ (Letzter Zugriff: Juni 2022).
- Grandahl et al. ‘I also want to be vaccinated!’ – adolescent boys’ awareness and thoughts, perceived benefits, information sources, and intention to be vaccinated against Human papillomavirus (HPV), Human Vaccines & Immunotherapeutics 2019; 15(7-8):1794-1802.